Samstag, 24. Januar 2009
 
Solidarisches Gesundheitssystem verteidigen! PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Werkstatt Frieden & Solidarität   
Samstag, 31. Mai 2008

Die Werkstatt Frieden & Solidarität ruft zur Solidarität mit den Protesten der Ärzteschaft gegen die geplanten Reformen auf.

Ein Aktionskomitee der Ärztekammer hat für die Zeit vom 16. bis 18. Juni Streikmaßnahmen angekündigt, sollte die Regierungsvorlage zur sogenannten Gesundheitsreform unverändert Anfang Juni durchs Kabinett gehen. Dies löste einen Strom an Krokodilstränen aus. Der Widerstand gegen ihre Reform dürfe nicht auf dem Rücken der PatientInnen ausgetragen werden, verkündeten Buchinger und Kdolsky. Eine Reihe von Kommentatoren stimmte in das Geheul ein. Franz Bittner, Obmann der Wiener GKK verkündete gar, ein Streik wäre Vertragsbruch und würde das Drüberfahren geradezu provozieren. Die Konvertiten sind offensichtlich immer noch die Schlimmsten.


"Brutalst erzwingen"

Auf wessen Rücken diese Reform wirklich ausgetragen wird, machten gleichzeitig die Gesundheitsökonomen Christian Köck und Ernest Pichlbauer deutlich: Durch die Verschlechterung der medizinischen Versorgung der Bevölkerung durch niedergelassene Ärzte sollen die Menschen in die Spitäler (Ambulanzen) gedrängt werden. Sie erwarten, dass die Kosten in den Spitälern "explodieren" und die Spitalsreform "brutalst erzwungen" werde. (Der Standard, 23.5.2008). Was hier betrieben wird, ist offensichtlich brutalste Zerstörung eines gewachsenen Systems. Erinnern wir uns: Wollte nicht die schwarz-blaue Regierung, vermittels von Gebühren und Selbstbehalten die Menschen weg von den Ambulanzen zu den niedergelassenen Ärzten treiben? Schon damals zeigte sich die gefährlich-stümperhafte Inkompetenz dieser neoliberalen ReformerInnen. Die Reform wurde letztlich wegen Undurchführbarkeit wieder abgeblasen.


Jetzt wird der umgekehrte Weg gegangen: Zuerst werden die Krankenkassen geplündert und in die Krise gestoßen. Dann wird der Durchgriff der Regierung auf die selbstverwalteten Kassen und die Aufkündigung der kollektiven Vertragsgestaltung mit der Ärzteschaft "brutalst erzwungen". Die damit verbundenen Leistungskürzungen treiben dann die Spitäler in die Krise, die dann auch brutalst saniert werden müssen. Die Leute werden wie Vieh hin- und hergetrieben. Und immer wenn dann auf einer Seite gehobelt wird, werden sie in ihren sozialen Rechten beschnitten.


Die Werkstatt unterstützt daher alle gesellschaftlichen Kräfte und alle Aktionen, die auf den Erhalt unseres solidarischen Gesundheitssystems gerichtet sind. Insbesondere unterstützen wir auch die Aktionen der Ärzteschaft.


Auch die Versicherten, die PatientInnen, müssen sich zu Wort melden. Von besonderer Bedeutung ist dabei, dass die ÖGB-Spitze den Eintritt in die Zwei-Klassen-Medizin und die Aufgabe der anvertrauten Selbstverwaltung selbst vorantreibt. "Der ÖGB habe die Gesundheitsreform gemeinsam mit der Wirtschaftskammer erarbeitet. Wieso sollte er jetzt dazu aufrufen, dass demonstriert wird? Das wäre ein Treppenwitz.", meint Kollege Bittner im
Standard (23.05.2008) "All jene GewerkschafterInnen, die gegen diese Reform sind, müssen zeigen, dass sie sich von der ÖGB-Spitze nicht in Geiselhaft nehmen lassen. Wir werden jegliche Initiative in diese Richtung unterstützen.", meint dementgegen Stefan Daxner, Gewerkschafts- und Werkstattaktivist.


"Wir brauchen möglichst rasch eigenständige und handlungsfähige Initiativen der Versicherten. Im Falle von Streiks der Ärzteschaft wollen wir diese durch breit getragene Solidaritätsaktionen unterstützen können. Darüber wollen wir am Donnerstag 5. Juni im Volkshaus Marklstraße (Linz/Urfahr) beraten.", ergänzt Gerald Oberansmayr von der Werkstatt Frieden & Solidarität, "wenn die Regierung sagt, Machtkämpfe dürfen nicht auf dem Rücken der PatientInnen ausgetragen werden, dann soll sie eine Urabstimmung ermöglichen!"

Unsere Antwort heißt Solidarität!

Boris Lechthaler, Vorsitzender der Werkstatt zusammenfassend: "Das Establishment hat die Fähigkeit, den gesamtgesellschaftlichen Interessensausgleich zu moderieren verloren. Hintergrund dafür ist die fortgesetzte Umverteilung von Macht und Ertrag an Konzerne und Großkapital. Jetzt werden die freien Berufe und die Selbstverwaltung der Sozialversicherung angegriffen. Das eigentliche Ziel sind aber die sogenannten Lohnnebenkosten und damit die weitere Verbilligung der Arbeitskräfte, vor allem in den unteren Einkommensbereichen. Die Basis, auf der diese Politik agiert, wird dadurch noch schmäler. Unsere Antwort heißt Solidarität. Wir lassen uns jetzt nicht auseinanderdividieren. Alle, die zur Verteidigung unseres solidarischen Gesundheitssystems beitragen, müssen unterstützt werden. Die Versicherten, die BeitragszahlerInnen, die PatientInnen müssen zu Wort kommen. Deshalb: Selbstverwaltung statt Zweiklassenmedizin. Keine Gesundheitsreform ohne Urabstimmung der Versicherten!"

Kranke Kassen? Nicht Kostenexplosion, sondern Einnahmenerosion!

Grund für diese Misere der sozialen Kassen ist nicht die oft beschworene "Kostenexplosion" im Gesundheitswesen. Der Anteil der Gesundheitsausgaben am Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist weitgehend stabil geblieben: 1995: 9,7%, 2000: 9,9%, 2006: 10,1%. Die finanzielle Misere wurde vielmehr gezielt durch die Bundespolitik der letzten Jahre herbeigeführt: Senkung des Hebesatzes für die PensionistInnen, fehlender Ausgleich des Verlusts der Vorsteuerabzugs- fähigkeit bei der Mehrwertsteuer, Deckelung der KV-Beiträge für Arbeitlose weit unter den tatsächlichen Kosten, Unterdeckelung beim Wochengeld, usw.  Darüber hinaus ist es vor allem die wachsende Ungleichverteilung zwischen stagnierenden Löhnen und explodierenden Gewinnen, die die Beiträge für die Krankenkassen austrocknen lässt, da sich die KV-Beiträge nach den Löhnen und Gehältern bemessen. Mit der Umverteilung zu Lasten der Unselbständigen fallen daher die KV-Beiträge deutlich hinter das Wachstum des BIP zurück. Seit dem EU-Beitritt ist in Österreich der Anteil der ArbeitnehmerInnen am Volkseinkommen um über 6% gesunken. Zwischen 1993 und 2003 stieg das BIP nominell um 41%, die Beitragseinnahmen der Gebietskrankenkassen jedoch nur um 32,8%. Wären die Einnahmen nur im selben Maß wie die Wirtschaftsleistung gestiegen, gäbe es keine Defizite mehr.

Protestveranstaltungen:

Dienstag, 3. Juni 2008 um 10:00 Uhr am Stock-im-Eisen-Platz, 1010 Wien, Demo der Ärztekammer

Donnerstag, 5. Juni 2008, 17.30, Volkshaus Ferd. Marklstr. 4, 4040 Linz,
Haltestelle Gründberg, Plattformgründung: Nein zu dieser Gesundheitsreform

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